Richtigstellungen über Jesus
Jesus von Nazareth
Richtigstellungen zum Leben und Tod des Gottessohnes
Ein Gastbeitrag von Werner Huemer
Christus, Gottes Sohn, Erlöser der Menschheit: Auch rund 2000 Jahre nach seinem Tod übt das Leben und Wirken Jesu großen Einfluß aus. Seine Lehre der Nächstenliebe war einst revolutionär, und sie ist es heute noch. Die Geburt Christi markiert für uns den Beginn einer neuen Zeitrechnung, und im Gefolge der von Jesus überlieferten Worte bildete sich die heute weltweit größte Glaubensgemeinschaft, das Christentum. Immer noch prägen christliche Ideale unsere Gesellschaft, und mit gutem Grund wird das Leben Jesu von Gläubigen oft als „das einflußreichste, das je gelebt wurde“ bezeichnet. Aber inwieweit stimmt das gängige Bild vom „Christus des Glaubens“? Was wissen wir wirklich über das Leben des Jesus von Nazareth? Diese Fragen stehen im Zentrum des folgenden Beitrages.
Eines ist klar: Der nüchterne Blick auf historische Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse wird das Wesen einer religiösen Überzeugung niemals ergründen. Geschichtsforscher können nicht darüber befinden, ob Jesus Christus in seinem innersten Kern göttlicher Natur war oder doch nur ein Mensch wie wir alle; nicht einmal die Lehre Jesu läßt sich wissenschaftlich einwandfrei bewerten.
Befriedigen also geschichtliche Forschungen zum Leben des Mannes aus Nazareth nur die intellektuelle Neugier – oder sind sie vielleicht doch auch für unsere religiöse Gesinnung von Wert?
Glauben und Wissen
Heute ist es üblich, zwischen „Glauben“ und „Wissen“ eine scharfe Trennlinie zu ziehen. Der Christ glaubt, daß Jesus Gottes Sohn war, daß er Wunder vollbracht hat und zur Erde gekommen ist, um für uns am Kreuz zu sterben. Der Historiker dagegen weiß, daß ein Mann namens Jesus lebte, und daß sich im Gefolge seiner Lehre nach und nach eine weltumfassende Kirche bildete. Verbindungen zwischen Glauben und Wissen werden aber gar nicht erst gesucht; der Gedanke, daß eine religiöse Gesinnung die Forschungstätigkeit befruchten könnte (und umgekehrt), ist uns leider fremd geworden.
Wer sich jedoch – wie der Autor dieses Beitrages – nicht damit zufriedengeben will, daß Religion und Wissenschaft jeweils ein Eigenleben führen, wird nach einer Verbindung zwischen dem historischen Jesus und dem Christus des Glaubens suchen, die ein schlüssiges Gesamtbild dieser überragenden Persönlichkeit erkennen läßt. Und es zeigt sich: Sofern man dazu bereit ist, jedwedes Scheuklappendenken abzulegen, ist es durchaus möglich, geschichtliche und theologische Quellen in Einklang zu bringen. Das Leben Jesu in seiner eigentlichen historischen und geistigen Bedeutung wird dann erahnbar.
Allerdings gibt es Scheuklappen unterschiedlichster Art, die nur eine bestimmte und keine andere Sichtweise als wahr und richtig gelten lassen. So ist zum Beispiel in vielen Kirchen und Sekten ein christlicher Fundamentalismus verbreitet, der die überlieferten biblischen Texte ohne Wenn und Aber als unantastbare Wahrheit darstellt. Die Gläubigen wagen es in diesem Fall gar nicht, irgendeine Aussage bzw. ihnen vorgegebene Textinterpretation in Frage zu stellen, weil sie um ihren inneren Halt fürchten oder der Meinung sind, damit eine Sünde zu begehen. Umgekehrt glauben viele Wissenschaftler, daß es in Wahrheit nur das Materielle gibt. Sie meinen, Gott – und damit auch die Göttlichkeit Jesu Christi – sei nur eine Erfindung des Menschen. Auch das zeugt meines Erachtens von einem Scheuklappendenken; es erscheint nur weniger gefühlsbetont und ist statt dessen intellektuell geprägt.
Nun ist es ein überaus anspruchsvolles – und meist von vornherein aussichtsloses – Unternehmen, die Sichtweise eines Menschen ändern oder gar erweitern zu wollen. Bekanntlich ist es – frei nach Albert Einstein – leichter, ein Atom zu spalten als Vorurteile auszuräumen – um so mehr, wenn jemand sich im Besitz der „einzigen Wahrheit“ wähnt. Da wir aber für die folgenden Betrachtungen eine Grundlage brauchen, auf der Wissenschaft und Religion neben- und miteinander bestehen können, möchte ich vorerst einige Eckpunkte formulieren. Wer sie für sich akzeptieren bzw. mit seinem eigenen Weltbild vereinbaren kann, dem wird es vielleicht auch gelingen, das Leben Jesu von Nazareth in neuem Licht zu sehen.
Kann Göttliches unter die Menschheit treten?
Die wohl wichtigste Grundlage für eine Zusammenführung von Glauben und Wissen ist die Überzeugung vom Sein des Schöpfers. Es gibt ja kein logisches Argument, mit dem man die Existenz einer schaffenden Gottheit ausschließen könnte. Im Gegenteil: Die Forschung mußte zum Beispiel erkennen, daß die Entstehung und zielgerichtete Weiterentwicklung des Lebens durch das einfache „Prinzip Zufall“ nicht schlüssig erklärbar ist. Vielmehr lassen sich im Weltgeschehen überall Gesetzmäßigkeiten erkennen – Naturgesetze, denen alles Geschehen folgt. Und es ist folgerichtig, einen höheren Willen als den „Gesetzgeber“ zu erkennen. Jene allumfassenden Gesetze, die das Leben ermöglichen, die alle natürlichen Kreisläufe prägen, die Schönheit und Harmonie hervorgebracht haben, sind also der unmittelbarste Hinweis auf die Existenz der Gottheit – von der wir uns aber kein bestimmtes Bild machen sollten. Die kindische Vorstellung vom alten Mann mit Rauschebart und Priesterkleid dürfen wir getrost vergessen.
Wenn wir uns des weiteren bewußt machen, was unser menschliches Dasein eigentlich lebenswert macht, dann stoßen wir unmittelbar auf Begriffe wie Empfindungsfähigkeit, Lebensfreude, Bewußtsein. Da nun aber der Schöpfer der Ursprung des Lebens bzw. des bewußten Seins ist, so liegt der Gedanke nahe, daß die Gottheit ihrer Schöpfung gegenüber nicht nur in einer unpersönlichen Art wirkt – vergleichbar etwa einer unbewußten Energiequelle, die eine Maschine antreibt -, sondern daß sie sich um ihr Werk auch bewußt und liebevoll kümmert.
Die Möglichkeit, daß Göttliches zu diesem Zweck unter die Menschheit tritt, dürfen wir demnach nicht ausschließen. Und wenn – wie wir es wohl alle schon erfahren haben – gerade das Empfinden von Liebe unser Bewußtsein beflügelt und beseelt, uns belebt und zum Guten treibt, so kann eine schlüssige und einzigartige „Botschaft der Liebe“, wie man sie in der Lehre Jesu findet, durchaus als Ausweis seiner göttlichen Herkunft gedeutet werden.
Zusammenfassend betrachtet: Der christliche Glaube an den Schöpfer und an Jesus als einem der Gottheit verbundenen „Sohn“ läuft keiner noch so modernen Weltauffassung entgegen. Auch steht ein Leben im Sinne der Gottes- und Nächstenliebe, wie Christus es lehrte, als Vorbild für jedes gesellschaftliche Zusammenleben außer Streit. Würden wir das, was Jesus von Nazareth schon vor rund 2000 Jahren predigte, in unserem Miteinander konsequent umsetzen – die Erde könnte zweifellos jenem Gottesreich zugehören, das uns Christus nahebringen wollte.
Die Lehre Jesu und die Konfessionen
Aber warum in aller Welt entstanden und entstehen gerade durch den Glauben so viele Zwistigkeiten? Wie kann es geschehen, daß unter Berufung auf Jesus sogar Terrorakte verübt, Kriege geführt werden? Die Antwort kann nur lauten: Weil nie in aller Einfachheit die Lehre Christi ins Zentrum gestellt wurde, sondern der unbeschwerte, tiefe Schöpferglaube, wie ihn schon jedes Kind in sich erfahren kann, stets allerlei Beiwerk erhielt – „Glaubensdogmen“ genannt. So wurde im Lauf der Geschichte immer wieder neu definiert, was als Sünde zu gelten hat und was Gott vermeintlich wohlgefällig ist, es entstanden unterschiedliche Konfessionen, die Heiligen- und Reliquienverehrung, bestimmte Kulthandlungen und Organisationsstrukturen gewannen an Bedeutung usw. Vor allem aber nahm und nimmt jede Glaubensgruppe für sich in Anspruch, den von Gott unterstützten, letztlich allein selig machenden Weg für die Menschheit zu haben.
Diese Haltung trifft man nicht nur in fanatischen Sekten oder bei extremen Fundamentalisten an, sondern sie prägt – meist unausgesprochen – bis heute auch die ganz offizielle Amtskirche. Nach Meinung der Katholiken kann zum Beispiel nur in den Himmel kommen, wer in ganz bestimmter, traditionell vorgegebener Art glaubt, betet und die päpstlichen Lehren befolgt.
Nun soll in diesem Beitrag aber nicht gegen die Kirche angeschrieben werden – eine Glaubens- oder Gesinnungsgemeinschaft kann gewiß etwas Schönes, Aufbauendes, Motivierendes sein. Doch scheint es mir für unser Thema unumgänglich, die eigentliche Lehre Jesu sorgsam von dem zu trennen, was heute als christliche Konfession gilt und seinen Ursprung durchweg in einer Zeit lange nach Christus hat.
Im allgemeinen gesellschaftlichen Bewußtsein ist ja gar nicht mehr verankert, daß Jesus über so zentrale „Glaubenswahrheiten“ wie zum Beispiel die vermeintliche Notwendigkeit seines Kreuzestodes zur Erlösung der Menschen überhaupt nie gesprochen hat. Es wird einfach alles unsortiert in den „christlichen Glaubenstopf“ geworfen – der so entscheidend wichtige Aufruf Jesu zur Gottes- und Nächstenliebe ebenso wie dogmatische Gedankenkonstrukte aus späterer Zeit, die zum Beispiel den Zölibat, die Verehrung Marias als „Gottesmutter“ oder die Unfehlbarkeit des Papstes betreffen. Daß es eine fürchterliche Entwertung bedeuten könnte, wenn diese Glaubensvorgaben einfach mit dem Wort Christi auf eine Stufe gestellt werden, solche Befürchtung hegt man in kirchlichen Kreisen offenbar nicht.
Vielmehr setzt man darauf, daß alle biblischen Texte und die durch die Kirche vermittelten Glaubensgrundsätze gleichermaßen vom „Geist Gottes“ inspiriert seien. Allerdings: Wie sich solche Inspirationen in der Praxis vollziehen und welche Rolle dabei die eigenen Gedanken und Vorstellungen des Empfangenden spielen, die ja bei jeder Weitergabe einfließen – solche Überlegungen werden gar nicht erst angestellt.
Weshalb lebte Jesus?
Gehen wir davon aus, daß mit Jesus von Nazareth tatsächlich ein Sohn Gottes als Mensch geboren wurde. Dabei stellt sich die wichtige Frage: Weshalb kam er? Worin lag seine Mission, seine Aufgabe?
Die aus der kirchlichen Tradition geprägte Standard-Antwort der meisten Christen lautet heute wie schon seit Generationen: Er kam, um uns zu erlösen! Und wie vollzog sich diese Erlösung? Wir haben gelernt: durch den Kreuzestod! Das Leidenskreuz wurde ja zum allgegenwärtigen Symbol des Christentums. Vielerorts erinnert es den Gläubigen an das Erlösungswerk Jesu, inzwischen wird diese Form des Kreuzes bisweilen aber auch völlig sinnfrei als kecker Modeschmuck getragen.
Was gilt es also zu glauben? Daß der Schöpfer seinen Sohn zur Erde sandte, damit er sich von den Menschen hinrichten ließ! Durch dieses Blutopfer hat Jesus die Sünden der Menschheit auf sich genommen, mit seinem Leiden und Sterben büßte er stellvertretend für uns. Die Aufgabe des Menschen bleibt es nun, an Christus und dieses große Erlösungswerk zu ... glauben. Glauben – das ist die Hauptsache. In wehmütiger Dankbarkeit heben kirchliche Predigten die Notwendigkeit des Glaubens immer wieder hervor. Erst in zweiter Linie (vor allem im Rahmen von Begräbnissen) hört man manchmal auch, daß das Leben Jesu uns ein Vorbild sein soll bzw. daß seine Auferstehung die Hoffnung verkündet, daß auch wir Menschen im festen Glauben an Jesus den Tod überwinden können.
Diese nun schon viele jahrhundertealte kirchliche Interpretation der Mission Jesu stützt sich vor allem auf die in der Bibel überlieferten Worte beim Abendmahl, als Jesus sinngemäß von seinem „Fleisch und Blut“ spricht, das zur Vergebung der Sünden hingegeben wird.
Ich selbst habe mich allerdings – in unbekümmerter Mißachtung der kirchlichen Lehrmeinung – oft gefragt: Wenn es wirklich so war, daß Jesus gekommen ist, um für uns zu sterben – hätten sich seine Predigten dann nicht von Anfang an ganz anders anhören müssen? Zum Beispiel so:
Der Kreuzestod – und eine fiktive Rede
„Moses gab Euch die Zehn Gebote meines Vaters. Darin heißt es: Du sollst nicht töten! An mir aber sollt Ihr diesmal anders handeln!
Ich bin gekommen, um mich von Euch kreuzigen zu lassen! Darin müßt Ihr die Liebe Eures Schöpfers erkennen! Er bietet Euch Gelegenheit, einen Unschuldigen zu ermorden, damit Ihr von Euren eigenen Sünden befreit seid! Tut es in ganzer Härte und in aller Grausamkeit, denn mit meinem Leid nehme ich Eure Sünden hinweg. Das Kreuz, an das ich mich für Euch schlagen lasse, sei fortan Symbol Eures Glaubens an die Erlösung! Ächtet jene nicht, die mich verraten und verkaufen werden, denn sie sind notwendige Helfer zur Erfüllung des göttlichen Willens. Ohne sie könnte sich mein und Euer Schicksal nicht erfüllen. Vergeßt nie diese meine Worte, auch wenn sie Euch unglaubwürdig erscheinen mögen. Der Kreuzestod ist der Sinn meines Kommens, die Jahrzehnte meines Erdenlebens dienen diesem Geschehen. Erkennt in meinem Opfer die Liebe des Schöpfers, auch wenn Euer eigenes Tun Euch lieblos erscheinen muß. Glaubt – und grübelt nicht, denn nur im bedingungslosen Glauben liegt Größe. Vergeßt nie, daß die Wege des Herrn für Euch Menschen unergründlich sind.“
Dies – und wohl noch viel mehr – hätte Jesus Christus in seinen Reden immer wieder betonen müssen, um auf den heute geglaubten Sinn seiner Mission hinzuweisen. Denn wir dürfen nicht vergessen: Eine Kreuzigung war im römischen Recht nicht nur die unmenschlichste, sondern auch die entehrendste und qualvollste Todesstrafe. Die Befestigung des Opfers an dem Holzgerüst führte zu einem stundenlangen, manchmal tagelangen Todeskampf:
Weil die weit zur Seite ausgestreckten Arme bei einem Absinken des Körpers binnen Minuten zu einem qualvollen Ersticken führen würden, bemüht sich der Gekreuzigte immer wieder, sich mit den genagelten Füßen abzustützen, bis er in Erschöpfung nach unten sackt, um sich dann angesichts des drohenden Erstickungstodes erneut aufzubäumen. Dies alles immer und immer wieder, unter unermeßlichen Schmerzen.
Wie kann ein solches Schicksal je mit einem „Akt der Gottesliebe“ in Zusammenhang gebracht werden? Um auf die fiktive Rede Jesu zurückzukommen: In ein Bühnen-Schauspiel, das den abgründigsten Zynismus thematisiert, dessen die Kreatur Mensch fähig ist, würden solche Gedanken gut passen. Man kann die Ahnung vom Sein eines liebenden, gerechten Schöpfers gar nicht radikaler irreleiten, sie völlig ins Sinnwidrige verkehren, als ihm zuzuschreiben, daß er seinen unschuldigen Sohn in dieser Art leiden und sterben ließ und die verblendeten, zum Mord führenden Taten um seines Heilsplanes willen absichtsvoll geduldet hätte.
Diese Szenerie ernsthaft zu glauben, das halte ich für eine Abwegigkeit, in religiösen Begriffen gedacht würde ich sogar meinen: für Sünde. Denn spürt nicht jeder halbwegs normal empfindende Mensch in seinem Inneren schmerzlich, daß ein brutaler Mord, wie ihn diese Kreuzigung darstellt, mit einer Liebestat des Schöpfers absolut nichts zu tun haben kann? Diese einfache, kindliche Empfindung zugunsten eines konfessionellen Gedankenkonstrukts einfach beiseite zu schieben, widerspricht dem Wort Jesu, daß wir Menschen werden sollen „wie die Kinder“, also schlicht und unverdorben im Gemüt, in der Empfindung. -
Der Gedanke des stellvertretenden Sühneopfers paßt bei näherer Betrachtung in überhaupt keiner Hinsicht zum Leben und zur Lehre Jesu. Nicht nur, daß Jesus bei keiner einzigen Gelegenheit davon sprach, daß er gekommen sei, um die Menschen durch seinen Kreuzestod zu erlösen; nicht nur, daß eine solche besonders brutale Ermordung seiner Lehre der Nächstenliebe geradewegs entgegensteht – wäre es bei seiner Mission wirklich um das Erleiden eines Sühnetodes gegangen, so hätte Jesus im Grunde gar nicht predigend durchs Land ziehen und die Menschen mit aufrüttelnden Worten ermahnen müssen.
Und überhaupt: Aus welchem Grund sollte ein solches Opfer nötig sein? Könnte ein Gott, bei dem alles möglich ist, unsere Schuld nicht auch einfach so vergeben – ohne seinen Sohn diesen Sühnetod erleiden zu lassen?
Es erscheint mir unlogisch, einerseits an einen Schöpfer zu glauben, der „Sühne“ verlangt, weil dies im Wesen seiner Gerechtigkeit liegt, demselben Schöpfer zugleich aber die Ungerechtigkeit zu unterstellen, den Tod eines Unschuldigen als Ausgleich für die „Ursünde der Menschheit“ anzunehmen.
Auf theologischer Seite spricht man natürlich nicht von Ungerechtigkeit, sondern etwa vom „Übermaß der Gnade des Schöpfers“ oder von den für uns Menschen „unerforschlichen, geheimnisvollen Wegen der Gottesliebe“. Doch das ist eine „Totschlag-Argumentation“, mit der jede Debatte beendet und jede Logik von vornherein ausgeschlossen werden kann. Sie verlangt letztlich nur eines: blinden, gedankenlosen Glauben. Aber hat uns der Schöpfer nicht mit dem Drang nach Wahrheit und Klarheit ausgestattet, mit einem einfachen Empfinden für gut und böse?
Unerforschlich erscheinen mir letztlich nur die Hintergründe für traditionelle theologische Interpretationen, wenn sie, wie in diesem Fall, durch jahrhundertelange Tradition festzementiert wurden, ohne von der christgläubigen Allgemeinheit ausreichend hinterfragt, begründet und erklärt zu werden.
Was die Kreuzigung Jesu anbelangt, die sich nach heutigem Wissensstand vermutlich am 7. April des Jahres 30 auf Golgatha, der „Schädelstätte“, zutrug, ist die Sachlage aus historischer Sicht klar: Es war die Hinrichtung eines Mannes, der vom römischen Präfekten Pontius Pilatus (dieser galt als bestechlich und besonders grausam und wurde im Jahr 36 auf Grund seiner Gewalttätigkeiten des Amtes enthoben) der „perduellio“ (des Landesverrats) und der „seditio“ (des Aufruhrs) für schuldig befunden und zum Tod verurteilt wurde. Moralisch gesehen war diese Verurteilung beziehungsweise die Urteilsvollstreckung freilich nichts anderes als Mord.
Kaiphas, der Hohepriester der Sadduzäer, fühlte seine Macht durch Jesus bedroht und erwirkte, um den „Störenfried“ los zu werden, bei Pilatus eine entsprechende Anklage. Aus religiösen Gründen hätte Jesus nicht hingerichtet werden können.
Die Worte, die Jesus beim Abendmahl sprach – als ihm bereits bewußt war, was auf ihn zukommen würde -, waren wie praktisch alle bedeutenden Reden Christi, in Form eines einfachen Gleichnisses gegeben: „Fleisch und Blut“, „Brot und Wein“ symbolisieren die lebenserhaltende Nahrung für den Körper – und Nahrung war genau das, was Jesus den Menschen zu ihrer Erlösung brachte: Nahrung für den Geist allerdings, vermittelt durch sein Wort, seine Lehre; „Brot und Wein“, um Kraft für den inneren Weg zu spenden, der zum Reich Gottes führen soll. Daher zog Jesus predigend und mahnend durch das Land, und in dieser Lehrtätigkeit – nicht aber im Kreuzestod – lag seine eigentliche Mission.
Wirken und Wunder Jesu
In den geschichtlichen Überlieferungen zum Römischen Reich (Foto: „Caligula“-Szenenbild von P. Destez, 1888)
ist über das Leben des Jesus von Nazareth nahezu überhaupt nichts zu finden.
Jesus verlangte von seinen Hörern nie den blinden Glauben an die „geheimnisvollen Wege der Allmacht Gottes“. Vielmehr wies er auf die Liebe und die Gerechtigkeit des Schöpfers hin, sowie vor allem auch auf die Notwendigkeit, die Gottes- und Nächstenliebe immer und überall zu leben – auch schon auf der Ebene der Gedanken.
Er warnte vor dem „breiten“, bequemen Weg, den viele wandeln, der „zur Verdammnis“, also zum geistigen Tod führt (vgl. Matth. 7, 13), und er wies zugleich darauf hin, daß jene „Pforte, die zum Leben führt“, also in das Reich Gottes, „eng“ und der Weg dahin „schmal“ ist. Gleichzeitig verdeutlichte Jesus, daß der Mensch mehr zu tun hat als nur zu betteln und zu glauben – er muß auch nach dem Willen Gottes handeln, um vom Schöpfer aufgenommen zu werden (vgl. Matth. 7, 21).
Insgesamt vermitteln die Worte Jesu, wie sie in der Bibel überliefert sind, durchaus nicht das Bild der mildtätig lächelnden, alles vergebenden, bedingungslos Gutes wirkenden Gestalt, die wir traditionell vor Augen haben. Vielmehr wirken Jesu Worte hart, kompromißlos, fordernd; seine Liebe war streng, untrennbar der Gerechtigkeit verbunden. „Er predigte gewaltig“, heißt es bei Matthäus (vgl. 7, 28), so daß das Volk sich über seine Lehre „entsetzte“.
Die Worte Jesu wirken auch als eindringlicher Aufruf zum Tätigwerden, zur Änderung des Lebens, denn auf das Tun kommt es an, die richtigen Entscheidungen sind es, die letztlich zur Erlösung führen – gesetzmäßig führen müssen, denn „was der Mensch sät, das wird er ernten“. Dagegen haben konfessionell gebundene Menschen heute oft regelrecht Angst davor, aktiv an ihrer seelisch-geistigen Befreiung zu arbeiten – in der Fehlmeinung, daß so ein Streben nach „Selbsterlösung“ dem Glauben an die Erlösung durch Christus entgegenstünde.
Natürlich: Wer seinen Gottesglauben an dem vermeintlichen Sühnetod Jesu festgemacht hat, der wird um den Boden unter seinen Füßen kämpfen, seinen gewohnten seelischen Halt nicht verlieren wollen.
Doch ich bin davon überzeugt: Weder der innige Glaube an den Schöpfer noch der an den Gottessohn Jesus haben die Unlogik des Sühnetod-Gedankens nötig. Im Gegenteil: Wer sich von dieser gewaltsam konstruierten, den Gotteswillen entstellenden Vorstellung befreit, wird vielleicht erst dadurch zur Lehre Christi einen viel unmittelbareren Zugang finden.
Das gleiche gilt für den verbreiteten Wunderglauben: Wenn wir denken, daß sich der Schöpfer uns durch Wundertaten offenbaren muß, so ist das naiv. Wir konnten ja schon feststellen, daß der Wille Gottes dem Begriff der „Naturgesetze“ entspricht – also müssen wir das Göttliche in diesen Gesetzen erahnen lernen, in deren Vollkommenheit, Allmacht, Allgegenwart – und Unabänderlichkeit. Wir sollten göttliches Wirken nicht außerhalb der Schöpfungsgesetze suchen.
Weshalb auch sollte ein vollkommener Gott plötzlich etwas wollen, das gegen seinen eigenen unwandelbaren Willen ist? Demonstrative Zaubervorführungen würden bei einem Publikum, das angesichts der unzähligen Wunder des Lebens, der Natur, der Schöpfung nicht schon längst zu ehrfürchtigem Staunen Anlaß fand, nichts geistig Hilfreiches bewirken. Solche Vorführungen finden auch nicht statt.
Der Gottessohn Jesus muß nicht durch eine leibliche Jungfrau geboren sein, damit sich daran seine göttliche Herkunft erweist. Man kann den Begriff „Jungfrau“ auch im Sinne seelischer Reinheit verstehen. Und Jesus muß auch nicht leiblich auferstanden und „aufgefahren in den Himmel“ sein (gäbe es diese Möglichkeit tatsächlich, wäre er wohl zur rechten Zeit auch gleich auf diesem Weg herabgekommen).
Alle diese Vorstellungen, geboren aus einer überlebten Weltsicht, in der über Naturgesetze noch nichts bekannt war, stehen heute dem einfachen, empfindungsgetragenen Gottesglauben und auch dem gesunden Menschenverstand entgegen. Und sie führen leider oft sogar in den Atheismus, denn viele Menschen des 21. Jahrhunderts glauben lieber gar nichts, als daß sie unlogische Dogmen anerkennen, die in ein Labyrinth gedanklicher Sackgassen führen.
Folgt man den Ausführungen der „Gralsbotschaft“ von Abd-ru-shin, so war das Kommen Jesu von Nazareth notwendig geworden, weil die Menschheit sich auf ihren falschen Wegen schon vollständig verirrt hatte und nur ein Rettungsakt aus dem Licht noch Hilfe bringen konnte. Tatsächlich waren im jüdischen Glauben zur Zeit Christi starre, unüberschaubare Glaubensvorschriften längst wichtiger geworden als die einfache, empfindungsgetragene Beziehung zu Gott, wie jedes Kind sie haben kann. Doch es geht uns heute nicht viel anders.
Schlimmer noch: In unserer Zeit spielt der Schöpfer – wenigstens im Abendland – nur noch für wenige Menschen wirklich die zentrale Rolle im Leben. Und auch Jesus von Nazareth ist für die meisten, sofern sie mit ihm nicht eine bestimmte Glaubensvorstellung verbinden, lediglich von intellektuellem Interesse. Die vielen Bücher und Spekulationen rund um den Gottessohn tragen denn auch eher dazu bei, seine Persönlichkeit zu entzaubern, als zu seiner Lehre und eigentlichen Größe hinzuführen.
Aus dem Lukas-Evangelium wird deutlich, daß Jesus etwa 30 Jahre alt war, als er zu predigen begann. Aber was geschah bis dahin? Wo erhielt er seine Ausbildung?
Eine lückenhafte Biographie
Trotz aller Publikationen gibt es über den historischen Jesus nicht wirklich viel Zuverlässiges zu sagen. Seine Biographie, um deren Vervollständigung sich Geschichtsforscher bemühen, ist immer noch äußerst lückenhaft, es gibt darüber weitaus mehr Vermutungen als gesichertes Wissen – und mit großer Wahrscheinlichkeit keinen einzigen Zeitzeugen, der seine eigenen Erlebnisse mit dem Gottessohn schriftlich dokumentierte.
Der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus (geb. um 37 n. Chr.) berichtet von Jesus als dem „Vollbringer ganz unglaublicher Taten und Lehrer aller Menschen“; der römische Historiker Publius Cornelius Tacitus (55-120 n. Chr.) schreibt von „Christus, der unter der Regierung des Tiberius durch den römischen Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden war“; auch der römische Historiker Sueton (70-130 n. Chr.) erwähnt Jesus. Im übrigen muß man sich auf die Schilderungen des „Neuen Testaments“ stützen, um biographische Angaben zu finden. Doch die Bibel gilt als nicht sonderlich sichere Quelle.
Dies aus naheliegenden Gründen: Zum einen erachtet man es heute als sicher, daß die vier sogenannten „Evangelisten“ – Markus, Matthäus, Lukas und Johannes – nicht mit den gleichnamigen Jüngern Jesu identisch sind. Die Weggefährten des Gottessohnes dürften selbst nichts schriftlich dokumentiert, sondern das ihnen wichtig Erscheinende nur mündlich überliefert haben.
Aufgeschrieben wurde (ursprünglich in griechischer Sprache, während Jesus als Galiläer vorwiegend Aramäisch gesprochen hatte) aus diesen Überlieferungen um 70 n. Chr. das „Markus-Evangelium“. Zwischen 75 und 100 n. Chr. dürften dann – zum Teil auf der Grundlage dieser Schrift – Matthäus und Lukas ihre Evangelien verfaßt haben. Unabhängig von diesen drei eng verwandten, sogenannten „synoptischen Evangelien“ entstand um 100 n. Chr. das „Johannes-Evangelium“. Über das Leben der vier Autoren ist nichts Zuverlässiges bekannt; in Lukas wird mitunter ein griechischer Arzt und Reisebegleiter des Apostels Paulus vermutet.
Die älteste Quelle im „Neuen Testament“ sind die um das Jahr 50 n. Chr. verfaßten „Paulus-Briefe“, die an christliche Gemeinden gerichtet waren. Der Apostel Paulus war entscheidend wichtig für die Verbreitung des Christentums nach dem Kreuzestod Christi, doch er hat Jesus wohl ebenfalls nicht persönlich gekannt, und viele der immer noch gültigen kirchlichen Glaubensvorstellungen – von der Idee des „sündigen Fleisches“ bis hin zum Sühnetod-Gedanken – gründen sich in den ureigenen Vorstellungen und Interpretationen dieses Apostels.
Das „Neue Testament“ in seiner heutigen Form wurde um 150 n. Chr. zusammengestellt, wobei davon bis heute rund 5000 Manuskripte bzw. Fragmente gefunden wurden – allerdings kein einziges Originaldokument.
Es gibt nur antike Abschriften, von denen man weiß, daß sie bearbeitet wurden. Daher ist es praktisch unmöglich, Authentisches von später Hinzugefügtem zu unterscheiden. Man kann lediglich versuchen, bekannte historische Gegebenheiten mit den biblischen Schilderungen in Einklang zu bringen.
Demnach gilt unter Geschichtsforschern derzeit als wahrscheinlich, daß Jesus um das Jahr 4 n. Chr. geboren wurde. Über seine Kindheit und Jugend in Nazareth ist nichts historisch Gesichertes bekannt. Man geht heute davon aus, daß Jesus jüngere Brüder hatte und Joseph, der nicht sein leiblicher Vater war, ein Zimmermann, möglicherweise auch eine Art Baumeister war, also ein Handwerker, der nicht nur mit Holz, sondern auch mit Steinen und Stroh umgehen konnte.
Aus dem Lukas-Evangelium wird deutlich, daß Jesus ungefähr 30 Jahre alt war, als er zu predigen begann. Aber die große Frage der Historiker lautet: Was geschah bis dahin? Wo erhielt Jesus seine Ausbildung, sein Wissen? Was trieb ihn schließlich hinaus aus Nazareth? Was drängte ihn dazu, seine Lehre zu verbreiten?
Keine der diesbezüglich gängigen Vermutungen macht wirklich Sinn. Den Pharisäern, die Jesus später immer wieder kritisierte, und auch den Sadduzäern, zu denen der Hohepriester Kaiphas gehörte, hat Jesus nach Meinung der Historiker nicht nahegestanden. Aber es gab noch eine dritte wichtige jüdische Glaubensgruppe, die in der Bibel keine Erwähnung findet: die Essener, deren Schriftrollen im vorigen Jahrhundert in Qumran am Toten Meer gefunden wurden, und in denen einige inhaltliche Übereinstimmungen mit der Lehre Christi festgestellt werden konnten.
War Jesus also vielleicht Essener, wie in manchen esoterischen Kreisen bis heute vermutet wird? Auch das ist unwahrscheinlich. Denn während die Essener sich zum Beispiel als eine Art „Elite der Reinen“ betrachteten und großen Wert auf das Priestertum, auf ihre Tempel und die kultische Reinheit legten, war Jesus eine Veräußerlichung des Begriffes „Reinheit“ fremd. Er wandte sich ja den Evangelien zufolge gerade auch denen zu, die gesellschaftlich als „unrein“ galten.
Dies führte manche Forscher zu der Vermutung, daß Jesus vielleicht ein Zelot war, einer jener Eiferer also, die den Armen und Verachteten Hoffnung gaben und bereit waren, für diese Sache bis zum Äußersten und mit allen Mitteln zu kämpfen. Jesus aber lehnte Kampf und Mord in seiner Botschaft der Nächstenliebe rigoros ab.
Keiner der „vorgefertigten Schuhe“ kann Jesus passen. Vielmehr lehrte er etwas völlig Neues, dessen Quelle aus ihm selbst strömte. Dieses Neue wollte den Menschen Frieden und geistige Befreiung bringen – aber es kümmerte sich weder um bestehende konfessionelle Lehrmeinungen noch um die äußere Krise der Juden, die religiös, kulturell und politisch unter der römischen Herrschaft litten.
Christen werden diese absolute Unabhängigkeit, die nur in Liebe den Menschen verpflichtet war, als überzeugenden Beleg für die göttliche Herkunft Jesu werten können.
Doch seine Lehrtätigkeit fand mit der Verhaftung in Jerusalem ein vorzeitiges Ende. Allerdings blieb die Hoffnung des Kaiphas unerfüllt, die Bewegung, die rund um Jesus entstanden war, durch dessen Verurteilung und Hinrichtung endgültig zum Stillstand bringen zu können.
Denn einige Tage nach dem Kreuzestod erlebten Getreue des Gottessohnes das Wunderbare: Jesus erschien ihnen und festigte mit seiner „Auferstehung“ (die man nicht unbedingt als irdisch-sichtbares Ereignis interpretieren muß) ihre Überzeugung von seiner Sendung.
20 Jahre danach gab es bereits eine erste christliche Gemeinde in Rom – und eben hier etablierte sich Jahrhunderte später das Zentrum einer neuen Weltreligion.
Jesus selbst war es freilich nie um die Gründung einer neuen Kirche gegangen. Er wandte sich in seinen Predigten unmittelbar an den einzelnen, formte aber keine Organisationsstruktur. Wenn er in seinem berühmten „Felsenwort“ (vgl. Matth. 16, 18) sagte: „Du bist Petrus, und auf diesem Felsen will ich meine Gemeinde bauen“, so sprach er damit eher die vorbildhafte innere Festigkeit seines Jüngers an, wie sie eine Voraussetzung für jede überzeugte, gottzugewandte Gesinnungsgemeinschaft ist.
Er wollte damit durchaus keinen ersten Papst etablieren, wie man das später interpretierte. Heute ist es üblich, die Reihe der Päpste bis auf Petrus zurückzuführen, doch tatsächlich entstand die Idee des Papsttums im vierten Jahrhundert nach Christus; erst die Synode von Rom (495 n. Chr.) begrüßte den Papst so, wie man ihn heute noch nennt: „Stellvertreter Christi auf Erden“.
Im Judentum indessen geriet der „jüdische Wanderprediger“ Jesus von Nazareth weitgehend in Vergessenheit. Obgleich das „Alte Testament“ – und im besonderen die „Thora“ (die fünf Bücher Mose) – für Christen wie Juden eine gleichermaßen wichtige, gemeinsame Glaubensgrundlage bildet, spielt der „Messias Jesus“ im Judentum praktisch keine Rolle.
Das „Neue Testament“ und das Leben Christi haben weder in den jüdischen Riten, noch für den jüdischen Festtagskalender eine Bedeutung. Jedoch blieb die Kreuzigung Jesu eine Wurzel des modernen Antisemitismus, und der „Heilige Stuhl“ in Rom nahm mit Israel erst im Jahr 1994 diplomatische Beziehungen auf ...
Jesus berief mit Petrus keinen „ersten Papst“. Die Idee des Papsttums entstand in Wirklichkeit erst im 4. Jahrhundert nach Christus.
Der Weg zur Erlösung
Keine nüchterne Biographie zum Leben und Sterben Christi, wie kunstvoll sie auch mit vagen Vermutungen und immer neuen kühnen Unterstellungen „gewürzt“ sein mag, offenbart etwas von der wirklichen Natur des christlichen Glaubens. Und ebensowenig führt eine kritische Betrachtung der Kirchengeschichte weiter. Denn mit Zahlen und Fakten läßt sich, wie eingangs gesagt, das Wesen einer religiösen Überzeugung nicht ergründen. Das müssen Geschichtsforscher zur Kenntnis nehmen.
Gläubige Christen sollten indes lernen, ihre Überzeugung nicht am Kreuzestod, an den Wundertaten Jesu oder an der Auferstehung festzumachen, sondern vielmehr an seiner großen Lehre. Denn deren hilfreiche Wirkung kann sich jedem Menschen zeigen – unabhängig von Weltbild oder Konfession und nicht als graue Theorie, sondern lebensnah: Wer Gutes tut, wird Gutes ernten, wer die Seligkeit des Gebens erfährt, lernt damit auch die Unabhängigkeit des persönlichen Glücks von äußeren Bedingungen kennen. Wer sich in jeder Hinsicht um Vervollkommnung, Veredelung und innere Reinheit bemüht, schafft in seiner Seele Raum für die Liebe des Schöpfers. Er lädt sie zu sich ein, will sich ihr verbinden, ihr dienen – und darf Geborgenheit, Frieden und Lebensfreude erfahren.
Wie sonst könnte sich die ersehnte „Erlösung“ für uns Menschen konkret im Leben zeigen als in einer beglückenden inneren Leichtigkeit, die uns seelisch mehr und mehr erstrahlen läßt?
Ein Leben nach der Lehre Jesu sollte zu dieser Erfahrung führen.
Jesus von Nazareth - warum seine klare und reine Lehre in 2000 Jahren erheblich verfälscht wurde