Plutokratiegefahr
Dieser Artikel entstand im Jahr 2011. Einige Fakten sind zwar veraltet, die zugrundeliegende Problematik ist jedoch nach wie vor hochaktuell.
Tschernobyl
Plutonium und Plutokratie - ein gefährliches Paar
Vor 25 Jahren wurde Europa radioaktiv verstrahlt. Heute wird die Kernenergie wieder gefördert. Am 26. April 1986 ereignete sich im Kernkraftwerk Tschernobyl eine der schlimmsten Umweltkatastrophen aller Zeiten. Als Folge einer Kernschmelze wurden große Mengen Radioaktivität in die Luft geschleudert und weite Teile der nördlichen Halbkugel kontaminiert. 50.000 zusätzliche Krebstote dürfte dieses Ereignis gefordert haben. Heute, nur 25 Jahre später, wird in Deutschland der geplante Ausstieg aus der Energiegewinnung durch Atomkraft wieder in Frage gestellt. Im September 2010 verkündete das Finanzministerium die vollständige Kostenübernahme für die Sanierung des maroden Atomlagers „Asse“. Aber hinter dem Plutoniumproblem wird eine andere Fehlentwicklung sichtbar …
Obwohl die Katastrophe von Tschernobyl gezeigt hat, daß alles, was in der Technik passieren kann, irgendwann auch passiert, sind weltweit nach wie vor 210 Kernkraftwerke am Netz, und in der CO2-Debatte präsentiert sich die Atomkraft seit einiger Zeit als sinnvolle, ungefährliche Alternative zu umweltbelastenden Stromgewinnungsmethoden. Ganz so, als habe es nie ein Problem mit der „sauberen Kernenergie“ gegeben.
Trauriger Höhepunkt war in Deutschland kürzlich das – immerhin im Wahlkampf angekündigte – Rückgängigmachen des „Atomausstiegs“, gleichbedeutend mit der staatlich legitimierten weiteren Erzeugung von deutschlandweit etwa 4.400 Tonnen hochgiftigem Atommüll, der mindestens die nachfolgenden 40.000 Generationen (!) in Lebensgefahr bringt, da weltweit kein einziges sicheres Endlager existiert! Und warum dieser Wahnsinn? Womöglich hauptsächlich, weil die großen Energiekonzerne in Erwartung weiterer Gewinne in Höhe von etwa 50 Milliarden Euro enormen Druck gemacht haben? Diese jubeln natürlich über diesen – aus ihrer Sicht – „vernünftigen“ Beschluß!
Da kann es auch nur als ein „Sahnehäubchen“ betrachtet werden, daß die Sanierungskosten des maroden Atommüllagers „Asse II“ in Milliardenhöhe nun nicht von der Atomwirtschaft, sondern vom Steuerzahler übernommen werden, was das Finanzministerium am 8. September 2010 bekanntgab! Die Kosten für ein Lager, das schon beim Ankauf im Jahr 1965 gravierende Probleme zeigte und damals politisch skrupellos durchgedrückt wurde. Heute brechen in die alte Schachtanlage täglich knapp 12.000 Liter Wasser ein, die Radioaktivität ins Grundwasser spülen können oder – vielleicht besser gesagt – werden! Und allein das hier eingelagerte Plutonium (dieses giftige radioaktive Schwermetall entsteht bei der Stromgewinnung mit Kernkraft) reicht theoretisch aus, um die gesamte Menschheit zu vergiften.
Das Atommüllager „Asse II“ ist Teil der staatlichen, steuerfinanzierten Atomsubventionen in Höhe von unglaublichen 304 Milliarden Euro, laut Berechnungen der Umweltschutzorganisation „Greenpeace“, die den privaten Energiekonzernen den Weg zu sagenhaften Gewinnen geebnet hat. Das Lager enthält jetzt mehr als die zehnfache Menge des ursprünglich registrierten radioaktiven Materials, wobei laut „Greenpeace“ 63 Prozent der radioaktiven Strahlung auf Einlagerungen des EnBW-Kernkraftwerks Obrigheim zurückzuführen sind.
Die Zeche bezahlen nun also nicht etwa dessen steinreiche Aktionäre, sondern der Verbraucher und der Steuerzahler.
Bei Betrachtung dieser Tatsachen stellt sich die Frage, ob hinter dem „Plutonium-Problem“ nicht eine andere, ebenso grundlegende und äußerst gefährliche Fehlentwicklung steht – nämlich die Wandlung unserer Gesellschaft von der Demokratie hin zur Plutokratie. Dieser Begriff ist zwar bis heute etwas verpönt, weil er, wie zahlreiche andere, durch den Nationalsozialismus belastet wurde, aber er bringt eine Staatsform auf den Punkt, in welcher der Herrschaftsanspruch weitgehend aus dem Reichtum (griechisch: „plutos“) hergeleitet wird. Das Problematischste daran ist, daß es sich um ein Zweiklassen-Rechtssystem handelt, in dem für die Besitzenden Sonderrechte gelten und die Gesetzgebung den Nutzen für die Reichen berücksichtigt. Aus diesem Grund muß der Begriff unbedingt aus dem Dunkel des Unbewußten, wo er sein Unwesen ungestört betreiben kann, ans Tageslicht, also ins Bewußtsein gebracht werden; denn auch hier gilt: „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt!“
Von daher ist es sinnvoll, für dieses Phänomen nicht nur die Vorgänge in der Atomwirtschaft, sondern auch einmal in anderen Bereichen zu betrachten.
Vorreiter der Plutokratie in der westlichen Welt war bisher die USA. So galt der vorige Präsident George W. Bush als Marionette verschiedener Lobbies. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit erhielten die Reichen Steuergeschenke in Billionenhöhe, ökologisch sensible Gebiete wurden den Interessen der Öl- und Holzkonzerne geopfert, die Rüstungskonzerne profitierten von der auf Lügen aufgebauten Anzettelung des Irak-Krieges. So machte beispielsweise der Öl- und Rüstungskonzern Halliburton allein 2005 einen Umsatz von 13 Milliarden Dollar. Unter diesen Voraussetzungen darf es als ein kleines Wunder betrachtet werden, daß ein vernunftbegabter Präsident wie Barack Obama an die Macht kommen konnte. Es liegt vermutlich daran, daß die Vorgängerregierung den Bogen, selbst für amerikanische Verhältnisse, überspannt hatte.
Als weiterer Beleg für die fortgeschrittene Plutokratie, nicht nur in den USA, kann der Verlauf der Finanzkrise angeführt werden, in der die Verursacher nicht nur nicht bestraft wurden, sondern entweder mit hohen Bonuszahlungen verabschiedet wurden oder aber – bis heute – im genau gleichen Stile weitermachen können, die nächste Finanzkrise damit vorbereitend. Diese Krisen treffen wiederum in erster Linie die Normalverdiener, viel weniger die Spitzenverdiener.
Auch in Europa gibt es schon seit längerer Zeit unglaubliche Auswüchse, vor allem in Italien. Man denke an die skurrilen Rechtsauffassungen von Silvio Berlusconi, Multimilliardär und Medienzar, der seine Macht als Ministerpräsident bedenkenlos einsetzt, um seine Karriereziele zu verfolgen. Um einer in vielen Fällen berechtigten Strafverfolgung zu entgehen, wurden entweder die Richter massiv unter Druck gesetzt oder aber einfach die Gesetze so geändert, daß die strafbaren Handlungen nachträglich legitimiert wurden.
Die Auswüchse in Deutschland hielten sich bis vor kurzem noch in Grenzen. Doch das änderte sich mit der Finanzkrise und auch im Umgang mit vermögenden Steuersündern nach dem Auftauchen verschiedener „Steuerhinterzieher-CDs“: Während jede andere Straftat unbedingt geahndet wird und durch Selbstanzeige das Strafmaß bestenfalls abgemildert werden kann, wurde bei der Steuerhinterziehung in mehrfacher Milliardenhöhe eine Ausnahme gemacht: Wer sich meldet, geht in der Regel straffrei aus und muß lediglich die Steuern plus Zinsen nachzahlen – ein denkbar geringes Risiko!
Besonders obskur ist der Fall eines ehemaligen Konzernchefs: seine hinterzogenen Steuern in Millionenhöhe hätten normalerweise auf jeden Fall zu einer Gefängnisstrafe geführt. Die Bearbeitung seines Falles verzögerte sich aber hinsichtlich eines Teiles seiner hinterzogenen Steuern aus unerfindlichen Gründen um 12 Stunden (!) jenseits der Verjährungsfrist, so daß er aus diesem Grund von seinem großen Vermögen lediglich etwa eine einzige Million Euro zurückzahlen mußte und ansonsten völlig straffrei ausging. Auch in diesem Fall fehlte offenbar jedes Unrechtsbewußtsein.
Fassungslos stehen weite Teile der Bevölkerung den Enlastungs-Maßnahmen der Regierung gegenüber: drastische Erhöhung der Erbschaftssteuerfreibeträge, Hoteliersteuerermäßigung, Schonung der Privatpatienten bei gleichzeitiger deutlicher Erhöhung der Beiträge für Kassenpatienten und der Kürzung weiterer Sozialleistungen und vieles mehr, was die ohnehin große Kluft zwischen Arm und Reich noch schneller erweitert.
Die Vermutung, daß wir uns in einem weit fortgeschrittenen Stadium des Übergangs von der Demokratie zur Plutokratie befinden, hat also gute Gründe – und die zunehmend unverblümte Förderung der Atomenergie aufgrund der unersättlichen Profitinteressen der Energiekonzerne paßt, als ein Beispiel unter tausenden, ebenso perfekt in dieses Bild.
Jeder ganzheitlich denkende Mensch kann indes seinen Trost in der Tatsache finden, daß diese dem Gerechtigkeitssinn kraß entgegenstehenden Zustände langfristig zum Zusammenbruch verurteilt sind, da sich das Schöpfungsgesetz der Wechselwirkung auch hier unerbittlich und gerecht auswirken wird. Doch immer zeigt sich, daß alle üblen Dinge vorher noch zur Blüte und zum scheinbaren Sieg über die Vernunft kommen. Auf diese Weise werden wir regelrecht gezwungen zu erkennen, wohin falsche Ideale und Entscheidungsgrundlagen führen – um sie dann hoffentlich endgültig über Bord zu werfen!